28. Januar 2021

Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen – EGLianer sprechen mit Holocaust-Überlebendem (svz)

Im Gedanken nah beieinander – Digitales Zeitzeugengespräch:

Schüler des Lübzer Gymnasiums konnten dem Shoah-Überlebenden Tswi Herschel Fragen stellen.

von Victoria Flägel 28. Januar 2021, 18:35 Uhr

Lübz | Gedenken in Zeiten der Pandemie: 40 Schüler des Eldenburg-Gymnasiums in Lübz konnten am Mittwoch, am Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, auf ganz besondere Weise den Opfern des Nationalsozialismus gedenken. Und zwar mit einem Zeitzeugengespräch über ZOOM.

Mit Shoah-Überlebendem Tswi Herschel sprechen

Als Partnerschule der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem hatten Schüler der zehnten Klasse die Möglichkeit, in einer anderthalbstündigen Konferenzschaltung mit dem Holocaust-Überlebenden Tswi Herschel ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und mehr über seine Geschichte zu erfahren. Insgesamt 400 Schüler aus ganz Deutschland nahmen an dem digitalen Zeitzeugengespräch teil. In Vorbereitung auf das virtuelle Treffen schauten sich die Schüler des Lübzer Gymnasiums ein Video über die Lebensgeschichte des Niederländers an.

Tswi Herschels Eltern wurden 1943 deportiert und im polnischen Vernichtungslager Sobibór ermordet. Kurz vor ihrer Deportation konnte seine Familie den wenige Monate alten Tswi Herschel an eine protestantische Familie abgeben. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Junge von seiner ihm fremden Großmutter, der einzigen noch lebenden Verwandten, aufgenommen. Seit 1991 erzählt Tswi Herschel Jugendlichen und Erwachsenen in Israel und Europa seine Geschichte.

„Erst haben sie lange geschwiegen“, sagt Gerd Vorhauer, Geschichtslehrer am Eldenburg-Gymnasium. „So eine nahe gehende Geschichte muss man ja erstmal verarbeiten.“ Die Schüler wären von Tswi Herschel beeindruckt gewesen. Und haben sich viele Fragen gestellt.

Viele Fragen offen geblieben

In was für einer Lage müssen seine Eltern gewesen sein, wenn sie ihr Baby an Fremde abgegeben haben? Warum hat die protestantische Familie ihn aufgenommen, obwohl sie das in Lebensgefahr brachte? Wieso holte seine Großmutter ihn von seiner Pflegefamilie weg, die Herschel für seine leibliche hielt?

Um dieses Erlebnis zu verarbeiten, werden die Schüler einen Brief an Tswi Herschel schreiben. „Mit weiteren Fragen und Anmerkungen zu Dingen, die die Jugendlichen bewegt haben“, sagt Gerd Vorhauer.

Gerade die Corona-Krise mache deutlich, wie wichtig das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ist. „Wenn die Corona-Maßnahmen mit der nationalsozialistischen Diktatur verglichen werden, sich einige einen gelben Stern mit der Aufschrift ‚ungeimpft‘ anheften, ist das eine völlig besinnungslose Gleichsetzung und Verharmlosung der Nazizeit“, sagt Gerd Vorhauer.

Und doch sieht er die Corona-Krise auch als Chance: „Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen. Und die, die noch leben, sind schon sehr alt, können oder wollen oft nicht mehr reisen.“ Der Corona-Zwang beschleunige die Digitalisierung und machte so das Zeitzeugengespräch in dieser Form vielleicht erst möglich.

– Quelle: https://www.svz.de/31082557 ©2021

 

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