16. November 2022

„Ewig“ und „trotzdem“: Mir lebn eybik

In einer beeindruckenden Lesung präsentierte der Journalist und Autor Uwe von Seltmann am 15.11. im EGL-Atrium den zehnten und elften Klassen sein Buch „Wir sind da! 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland”.

Wie von Seltmann gleich zu Beginn pointiert bemerkt, lebten die Juden schon länger in Deutschland als die Deutschen. Ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 markiert – als erste urkundliche Erwähnung von Juden in der Gegend des heutigen Köln – den Beginn jüdischer Ansiedlung in Deutschland, deren 1700. Jubiläum im vergangenen Jahr gefeiert wurde. Uwe von Seltmann hat in seinem Buch zum Jubiläumsjahr diese Geschichte nachgezeichnet – bis heute. Er erzählt damit auch seine eigene Familiengeschichte, die stark mit dem Judentum verflochten ist, und verortet sich selbst als “irgendwo zwischen Christen- und Judentum”.

Eine der vielen Stärken des Redners: Uwe von Seltmann sucht immer wieder den Anschluss an das ganz besondere Publikum, das vor ihm sitzt. Alle lächeln mit, wenn er sich eingangs mit einem freimütigen Lächeln als “Schulversager” bezeichnet. Viele Füße wippen mit, wenn er “Deduschka” spielt, einen aktuellen Track des jüdischen Deutsch-Rappers Ben Salomo, der auch Teil dieser Geschichte ist.

Musikalisch unterstützt wird die Lesung vom Wangeliner Saxophonisten Warnfried Altmann, der immer wieder den Vortrag mit seinen intensiven Beiträgen flankiert. Er trägt auch ein Lied des jüdischen Künstlers Mordechai Gebirtig (1877-1942) vor, dessen Biographie von Seltmann erforscht und veröffentlicht hat.

Den Titel seines aktuellen Buchs verdankt von Seltmann einem Lied, das die 2021 verstorbene Esther Bejarano regelmäßig zum Abschluss ihrer Konzerte spielte. Der jiddische Wortlaut “Mir lebn eybik, mir zaynen do!” (“Wir leben ewig, wir sind da!”) enthält dabei noch eine zweite Bedeutungsebene, der die deutsche Übersetzung nicht völlig gerecht werden kann, wie von Seltmann erklärt: “Eybik” bedeute nicht nur “ewig”, sondern auch “trotzdem”, eine vor dem Hintergrund der Shoah besonders eindringliche Mit-Aussage.

Als Schulleiter Torsten Schwarz zum Ende der Veranstaltung daran erinnert, dass Esther Bejarano ausgerechnet auf dem Lübzer Markplatz 1945 befreit wurde, schließt sich für das Publikum wie auch für Uwe von Seltmann ein Kreis. Das EGL dankt neben den Künstlern selbst besonders auch Nikolaus Voss, dem Beauftragten für das jüdische Leben und gegen Antisemitismus, für die Koordination und Durchführung dieser rundum gelungenen Veranstaltung.

 

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