27. November 2018

Wehret den Anfängen (svz 26-12-2018)

Nach der Aktualität einer Brieferzählung, die zur NS- Zeit spielt, fragte eine Veranstaltung des Lübzer Eldenburg-Gymnasiums

Monika Maria Degner

Lübz Die Aula des Eldenburg-Gymnasiums ist aufgestuhlt, die Klassen zehn bis zwölf nehmen ihre Plätze ein. Angesagt ist die theatralisch aufgearbeitete Lesung der berühmten Brieferzählung „Empfänger unbekannt“ der US-Amerikanerin Katherine Kressmann Taylor aus dem Jahr 1938. Die beiden Schauspieler, die lesen und spielen werden, sind Anne-Catrin Märzke, übrigens aus Parchim, und Thaddäus Meilinger.

Beide spielen oder spielten in der Tele-Novela „Gute Zeiten – schlechte Zeiten“. Jetzt haben sie sich mit diesem Theaterprojekt auf den Weg gemacht, wollen das umsetzen, was Künstler sein können oder auch müssen: „Spiegel der Gesellschaft“ (Märzke). Warum sie ausgerechnet dieses Stück gewählt haben – es zeigt den Einbruch des NS-Terrorregimes in das Private – hat für sie Aktualität.

Deuten den Briefwechsel gestisch an: Die Schauspieler Anne-Catrin Märzke und Thaddäus Meilinger Foto: Monika Maria Degner

Deuten den Briefwechsel gestisch an: Die Schauspieler Anne-Catrin Märzke und Thaddäus Meilinger
Foto: Monika Maria Degner

Die Handlung spielt zwischen 1932 und 1934. Max lebt in den USA, sein Freund und Geschäftspartner Martin ist nach Deutschland zurückgekehrt. Die durch den Atlantik getrennten Freunde beginnen einen Briefwechsel. Bald darauf aber kommen die Nationalsozialisten an die Macht. Martin erliegt nun der Verführung durch das Regime. Preiswert hat er ein Schloss erwerben können. Dass jüdische Eigentümer unter dem Druck, fliehen zu müssen, unter Preis verkaufen, scheint er gar nicht zu wissen. Vereinnahmen lässt er sich auch von der Propaganda: Ihn begeistert Göbbels Versprechen eines Neuanfangs für das gedemütigte deutsche Volk. Dass die „Revolution“ der Nazis auch ein paar Opfer fordere, sei wegen des übergeordneten Ziels zweitrangig. Max, der Jude ist, glaubt zunächst noch an die Hilfsbereitschaft Martins. Er bittet ihn, seiner in Deutschland lebenden, gefährdeten Schwester zu helfen, aber Martin ist bereits eingeschüchtert. Er beschwört Max, ihm nicht mehr zu schreiben, da es ihn und seine Familie gefährde, und lässt es schließlich ohnmächtig zu, dass die Braunhemden die Schwester von Max auf seinem Grundstück umbringen.

Max übt nun Rache. Seine Briefe werden zu einer tödlichen Waffe, da er darin vorgibt, dass Martin und er, der Jude in den USA, noch rege Beziehungen unterhalten. Der letzte dieser Briefe erreicht Martin nicht mehr, denn er wurde bereits verhaftet, der Brief erhält den Stempel „Empfänger unbekannt“.

Während der Vorstellung sah man in viele betroffene Gesichter. Freundschaft bedeutet allen hier sicher sehr viel. Nun hatten die Schüler verfolgt, wie ein totalitärer Staat eine Freundschaft zerstört. Geschichtslehrer Gerd Vorhauer regte die Mädchen und Jungen im Anschluss an, bestimmte Fragen zu beantworten beziehungsweise darüber abzustimmen. „Wer ist der Meinung, dass Martin die Schwester von Max umgebracht hat“, fragt er. Eine Schülerin antwortet: „Er ist ein passiver Mörder.“ Sie erhält Beifall. Überhaupt sind einige reflektierte Antworten seitens der Schüler und Schülerinnen zu hören. Eine, die erste Frage, bereitete ihnen aber offenbar Mühe. Es war die Frage nach der Aktualität des Textes. Eine Schülerin sagt: „In einigen Ländern gibt es Veränderungen, man weiß nicht wohin das führt.“ Und auch die Frage, ob sich so etwas wie der Nationalsozialismus wiederholen könnte, ist für das junge Publikum schwer zu beantworten.

Aber Schauspieler Meilinger gibt den jungen Leuten dazu etwas sehr Bedenkenswertes mit: „Es wird nicht noch mal eine Bücherverbrennung geben. Das ist durch. Es kommt im Mantel dessen, was wir mögen.“ Also aufgepasst!

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