In Schwerin befreit – Holocaust-Überlebender Zwi Steinitz traf Schüler im Landtag Schwerin (svz vom 21.01.15)
Im Besucherraum des Landtages sitzen 35 Jugendliche und einige Erwachsene. Doch es ist nur eine Stimme zu hören. Schüler aus Lübz, Parchim und Schwerin folgen wie gefesselt den Erzählungen des lebhaften Mannes mit der Nummer auf dem linken Unterarm.
Zwi Steinitz wurde 1927 als Kind jüdischer Eltern im damals polnischen Posen geboren. Kurz nach der deutschen Besetzung Polens, im November 1939, musste die Familie die Heimat verlassen. 1942 deportierte man Eltern und Bruder in das Vernichtungslager Belzec. Sie starben dort. Ein tiefer Schmerz spiegelt sich in seinem Gesicht, während er davon erzählt. Zwi Steinitz überlebte und kam in das Konzentrationslager Plaszow.
Im Februar 1944 meldete er sich freiwillig zu einem Einsatz als Schlosser. „Dieser Transport ging zu meinem Entsetzen nach Auschwitz“, erinnert sich Zwi Steinitz. Im April wurden im Lager Auschwitz Arbeitskräfte für die Metallindustrie rekrutiert. Am 17. Januar 1945, zehn Tage vor dem Eintreffen der Sowjetarmee, begann die Räumung des KZ Auschwitz’.
„Wir wurden auf den ,Todesmarsch‘ nach Gleiwitz getrieben.“ Tausendfaches Sterben begleitete den Marsch durch Schnee und Eis. In Gleiwitz befand sich ein Eisenbahnknotenpunkt, an dem Waggons zum Weitertransport bereitstanden. Von dort „fuhren wir im offenen Güterwagen weiter in das KZ Buchenwald. Nach einer Woche, Ende Januar, trafen wir dort ein.“ Im KZ Buchenwald suchte Siemens Arbeitskräfte für den Rüstungsbetrieb in Berlin-Haselhorst. Nach der Bombardierung der Fabrik kam Steinitz in das KZ Sachsenhausen. Als sich die Rote Armee Oranienburg näherte, begann am 21. April 1945 die Räumung des KZ Sachsenhausen.
Zwi Steinitz ging zum zweiten Mal auf einen „Todesmarsch“. Nach elf quälenden Tagen überquerte er, noch unter Bewachung, die Störbrücke in Raben Steinfeld und erreichte das bereits von den Amerikanern besetzte Schwerin. Die ersten Nachkriegswochen verbrachte er schwer krank in Schwerin. Durch den Hungermarsch geschwächt, hatte er keine Nahrung vertragen. 1946 verließ er Deutschland.
Ein Besuch in Schwerin war der große Wunsch des 87-Jährigen. Er kommt aus Anlass des 70. Jahrestages der Befreiung des KZ Auschwitz nach Deutschland. Seit 1996 wird der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Eingeladen von der Stiftung Amcha, die psychische Rehabilitation von Überlebenden des Holocaust unterstützt, und der Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald, sprach er gestern vor Jugendlichen über sein Leben, über Auschwitz und seine Befreiung. Es ist ihm wichtig, von der schrecklichen Zeit zu berichten, „damit sie sich nicht wiederholt“. Die 14- bis 16-Jährigen hatten viele Fragen. Juliane wollte wissen, mit welchen Gefühlen er Schwerin besucht. „Wie gelang es Ihnen, wieder im normalen Alltag anzukommen?“ Stefan interessierte, ob er SS-Leute traf, die sich menschlich verhielten.
Elvira Grossert