“All you need is Beat” – Ausstellung zur Jugendkultur in der DDR
Aufmüpfig und unangepasst
Sie haben Konzertkarten für die US-Rockband Limp Bizkit. Florian Wegner und Peter Boss, beide 16 Jahre, fahren im Sommer nach Berlin. Sie werden ganz vorn vor der Bühne stehen, mitsingen und beim Tanzen vielleicht ihre halblangen Haare schütteln. Danach werden sie nach Lübz zurück kehren und ihre Schulkarriere fortsetzen. Abitur machen und studieren, was sie gern möchten. Dass das nicht immer so war, zeigt eine Ausstellung, die gestern im Eldenburg Gymnasium eröffnet wurde. Besucher und Schüler des Gymnasiums, fast alle in Jeans und Jungs mit langen Haaren, können sich darüber informieren, was passierte, wenn man Musik hörte, die dem Staat nicht passte, Nietenhosen trug und lange Haare hatte.
“Heute ist das für euch völlig selbstverständlich, zu Konzerten zu fahren”, sagte Geschichtslehrer Gerd Vorhauer bei der Eröffnung. Er hat die Ausstellung initiiert, der Schulförderverein finanzierte sie. 60 Jahre nach Gründung der beiden deutschen Staaten und 20 Jahre nach der Wiedervereinigung fand es Vorhauer sehr passend. “Und ich glaube, dass man Jugendliche mit der Ausstellung wirklich ansprechen kann.”
Neben Stellwänden mit Fotografien, Zeitungsausschnitten und informativen Texten stehen Kopfhörer zur Verfügung. Mit Hörproben von den Puhdys, den Beatles und Elvis Presley – Musik, die man über Rias aus dem amerikanischen Sektor empfangen konnte, aber nicht durfte.
Gespräche mit Zeitzeugen
Außerdem gibt es Ausschnitte aus Protokollen der Stasi, Gespräche mit zwei Zeitzeugen und Filme. “Raus aus der Haut” setzt sich mit der Renft-Combo auseinander. In “Trutz” geht es um die Frage: Jeans oder nicht.
Als “Aufmüpfige” und “stinkende Gammler” wurden Jugendliche in der Presse bezeichnet, wenn sie der Linie nicht folgten. Auf einem Flugblatt, das in einer Telefonzelle in Leipzig 1965 gefunden wurde, forderte die deutsche Jugend: “… die Aufhebung des Verbotes der Beat-Gruppen sowie die Einheit Deutschlands und endlich freie Wahlen. ”
“Aber nicht nur in der DDR wurden Leute mit langen Haaren als Gammler bezeichnet”, erinnert Gerd Vorhauer. “Nur erteilte der Staat in der BRD deswegen keine Berufsverbote.” Der Geschichtslehrer ist sich sicher, dass die Ausstellung bei den Gymnasiasten gut ankommt. “DDR-Musik finden sie gut, viele hören Renft, City, die Puhdys oder Tamara Dansk. Aber sie wissen zu wenig über die Hintergründe dieser Musik.” Er hofft, dass die Exposition, die sich mit der Zeit zwischen 1955 und 1975 beschäftigt, den Schülern ein vollständiges Bild von der Situation und der Stimmung unter den Jugendlichen in der DDR gibt.
Bands eroberten trotzdem die Herzen der Fans
Trotz Überwachung gelang es der SED damals nicht, den Beat zu besiegen. Im Gegenteil: Die Bands eroberten die Herzen der Fans. Und viele hörten die Musik einfach heimlich. “Mein Vater hat seine AC DC-Platten trotzdem gehört”, sagt Florian Wegner.
Quelle: Schweriner Volkszeitung