
Auf “Esthers Spuren” – Antisemitismus die Stirn bieten
“Wohin jetzt? Aus dem Wald raus, vorsichtig fangen sie an zu laufen.[…] In diesen unsicheren letzten Kriegstagen können die sieben nicht wissen, wer auf ihrer Seite steht oder sie verraten würde. […] Am nächsten Morgen weckt der Bauer sie in aller Früh. Im Westen liegt die Kleinstadt Lübz, die von der U.S.-Army in den letzten Tagen eingenommen wurde, im Osten Plau am See besetzt von der Roten Armee.”
Gespannte Stille im Atrium – der Autor Bennet Lehmann nahm in seiner biografischen Lesung die EGLianer der Klassenstufe 11 mit in die bewegenden Erinnerungen der Shoa-Überlebenden Esther Bejarano, die im Mai 1945 in Lübz durch amerikanische Soldaten auf dem Todesmarsch von ihrem Martyrium befreit wurde. Eindrucksvoll wurde die Geschichte Esther Bejaranos und die des Endes der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland für die Schüler und Schülerinnen erlebbar und greifbar, zumal mit einer Geschichte, die in ihrer Region, quasi vor ihrer Haustür geschah. Bennet Lehmann ist es mit seiner offenen und jugendgerechten Sprache in besonderer Weise gelungen, die Lesung auch für heutige Fragen zu öffnen und Raum zu geben, gemeinsam über das Menschsein in der heutigen Zeit und die eigenen Sichtweisen und Haltungen nachzudenken.
Esther Bejarano, die als Jugendliche mit 18 Jahren nach Auschwitz deportiert wurde und dort im berüchtigten “Auschwitzer Mädchenorchester” spielen musste, setzte sich zeitlebens gegen Geschichtsvergessenheit und Rechtsextremismus ein. “In unserem letzten Gespräch fragte ich Esther, was sie sich noch im Leben wünsche, welche Geschichte noch fehle. Als Antwort bekam ich, dass sie gerne den 3. Mai in Lübz feiern würde, der Stadt ihrer Befreiung.” Diesen Wunsch konnten wir Esther leider nicht erfüllen – die Feier für und mit Esther war unter maßgeblicher Beteiligung unseres Gymnasiums organisiert, konnte aber durch Corona 2020 leider nicht stattfinden. Umso wichtiger ist es für uns als Yad-Vashem Partnerschule, die Erinnerung und das Gedenken an Esther und die Zeitzeugen wach zu halten, wozu diese Lesung maßgeblich beitrug.
Esther Bejarano verstarb 2021. Ihr Leben und ihr Engagement gegen Rechtsextremismus feierten wir in Erinnerung an sie auf dem Lübzer Marktplatz.